CB Fotoart Switzerland

Winter 2022/2023

Charles BluntschliComment

5. Tag, Goulburn to Sydney und einer Erfahrung der besonderen Art

 

Wie gesagt mussten wir leider den Zug in Goulburn verlassen und in die Busse umsteigen. Dabei hatten wir verschiedene «off Train experience» oder besser gesagt «off Bus experience» Optionen.  Eine dieser Möglichkeiten war der Besuch einer Winery mit anschliessendem Mittagessen sowie einem Besuch des Bradman Museum, besser bekannt in Australien als «The International Cricket Hall of Fame«, in Bowral welches zu Ehren von Sir Donald Bradmann, einer Legende im Australischen Cricket Sport errichtet wurde.

Da war die Wahl natürlich schnell getroffen. Einerseits bin ich für Wein immer zu haben und andererseits bin ich seit Jahren ein Hard Core Cricket Fan. Zugegeben ich kenne oder verstehe die Zählweise des Spieles nicht aber mittlerweile die Regeln. Ich habe bezüglich des Zählens sicher schon über ein Dutzend Australier befragt und bekam dabei auch über ein Dutzend verschiedene Antworten.

Im Weingut dann wurden wir nebst dem Wein übrigens hervorragend verköstigt. Dabei trafen wir auch die nette und sehr sympathische englische Dame aus Brisbane wieder die sich schon im Adelaide Summit Café zu uns setzte. So baten wir sie natürlich wieder zu uns an den Tisch.

Die nette Dame konnte nicht sprechen und trug immer eine sehr kompakte Mund und Nasenmaske.

Der Grund ist eine Gehirnfehlfunktion, welche ihr nicht erlaubt den Kiefer gesteuert zu bewegen. Was zur Folge hat, dass sie nicht sprechen und auch nicht kauen kann.

Erst jetzt wurde mir klar wie sehr man den Kiefer zum sprechen braucht.

Nur schon beim Bärndütsche « Auää» muss man diesen zweimal hoch und runter klappen.

Das grössere Problem ist die Nahrungsaufnahme, so bekam sie das pürierte Essen immer in ihrer Kabine serviert.

Daher hatte sie es wohl sehr geschätzt, dass wir sie an unsern Tisch baten. Kommuniziert haben wir jeweils mit dem Handy. Ich sprach und sie schrieb die Antwort oder umgekehrt sie schrieb und ich antwortete. Das Essen verlief dann absolut pannenfrei ohne dass sie sich verschluckte bis zu dem Zeitpunkt wo MÜAGGs Teller und der meine abgeräumt wurden.

Wer MÜAGG kennt weiss, dass sie keine grosse Esserin ist und die Portionen die sie jeweils bekam oftmals für drei Tage gereicht hätten. Daher wurde das Meiste im Teller immer wieder zurückgegeben.

So flüsterte ich zu der netten Dame, wetten wenn nun der Teller von meiner Frau abgeräumt wird sagt sie:

“It was excellent but toooo much” und macht dabei mit beiden Händen eine Bewegung wie wenn sie über einen Kinderkopf streicheln würde.

Die Kellnerin kam, ich stupste die Dame mit dem Ellenbogen an und sagte: Achtung aufgepasst jetzt.

Es kam was kommen musste, die Kellnerin fragte ungläubig ob sie den Teller abräumen könne und MÜAGG gab ihre übliche Erklärung zum Besten natürlich mit der entsprechenden Handbewegung.

Die nette Dame war leider gerade dabei vorsichtig einen Löffel Suppe hinter die Maske zu bringen als sie sich deswegen dermassen verschluckte, ich dachte ich muss den Notarzt holen. Allerdings stellte ich fest, dass zwischen dem Husten auch Gelächter zu erkennen war und zwar so fest, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Das Ganze dauerte eine ganze Weile bis sich bei ihr wieder alles erholte und eine neue Maske montiert war.

Artig wie ich bin habe ich mich daraufhin tausendmal bei ihr entschuldigt aber sie hatte, wie sie mir schrieb, ungemein Gefallen an mir gefunden und hätte seit langem nicht mehr so gelacht.

Als wir uns auf der Central Station in Sydney verabschiedeten umarmte sie mich inniglich mit Tränen in den Augen und warf uns immer wieder Kusshändchen zu bis wir ausser Sichtweite waren.

Sollte es sein, dass die nette Dame diese Zeilen liest, was leider höchst unwahrscheinlich ist, möchte ich ihr hiermit sagen, dass sie eine ganz tolle Frau sei, die das Leben trotz der schweren Krankheit und der damit verbunden Einschränkungen noch geniesst. Wir wünschen ihr von Herzen alles Gute.